Ohne Anstrengung, ohne Mühe, ohne Schmerzen, ohne Leid
ist kein Wachstum möglich – spirituell wie körperlich. Der Weg der
Menschwerdung ist ein Weg der Bewußtwerdung, und dieser Weg ist anstrengend und
mühsam. Das Gehen dieses Weges ist schmerzhaft und leidvoll, aber immer auch
befriedigend und erfüllend. Am Ziel warten Bewußtsein, Freude und Glück – Sinn
und Zweck des Lebens. Mündige Menschen erreichen dieses Ziel – mit Disziplin
und Liebe. Sie sind die wirklichen »Menschen«. Selbstverschuldet unmündige
Menschen verfehlen dieses Ziel. Sie sind die eigentlichen »Sünder«.
Selbstverschuldet
unmündige Menschen sind „Problematische Naturen, die keiner Lage gewachsen
sind, in der sie sich befinden“ (Johann
Wolfgang von Goethe).
Unser
Lehnwort „problematisch“ ist dem lateinischen Adnomen (Eigenschaftswort) »problematicus« und dem altgriechischen
Adnomen »próblēmatikós« entlehnt;
beide bedeuten »schwierig«, »fraglich«, »ungelöst«, »unentschieden«.
Die absolute Mehrheit der Menschheit aber versucht,
Problemen auszuweichen, weil der Prozeß, sich Problemen zu stellen und sie zu
lösen, unbequem, unangenehm, ja schmerzhaft ist. Doch dieser Versuch ist
vergeblich, denn das Leben besteht aus einer unendlichen Reihe von Problemen.
Aber gerade das gibt dem menschlichen Leben überhaupt erst seinen Sinn: Durch
die Annahme und Überwindung des Schmerzes, uns den Problemen zu stellen und sie
zu lösen, lernen wir. Nur durch Probleme und ihre Lösung wachsen wir
spirituell.
Leben aber heißt nichts anderes, als sich seiner
selber bewußt zu werden. Der Sinn unseres Lebens ist Bewußtwerdung oder
Selbsterkenntnis.
Der selbstverschuldet unmündige Mensch bleibt
gewissermaßen freiwillig auf der Stufe des Tieres oder zumindest des
Kleinkindes stehen und ist daher der eigentliche Sünder.
Fast jeder moderne Mensch versucht, dem Schmerz
auszuweichen, der mit der Übernahme der Verantwortung für seine eigenen
Probleme verbunden ist. Wann immer wir der Übernahme der Verantwortung für
unser Verhalten und unsere Probleme ausweichen wollen, versuchen wir, diese
Verantwortung einem anderen Individuum, einer Institution, einer Organisation,
„der Gesellschaft“ oder „der Regierung“ zuzuschieben. Auf diese Weise geben wir
diesen Personen und Einrichtungen jedoch unsere Macht und damit Macht über
uns.
Um den Schmerz der Verantwortung zu vermeiden, flüchteten und flüchten
Milliarden von zwar biologisch erwachsenen, aber psychisch und mental
infantilen, eben selbstverschuldet unmündigen Menschen tagtäglich vor der
Freiheit – und begeben sich freiwillig in die Sklaverei eines Polizeistaates
(BRD!)
Diese Menschen fühlen sich dann auch machtlos – weil
sie ihre Macht tatsächlich abgegeben haben. Und sie sind verantwortungslos –
weil sie ihre Verantwortung ebenfalls abgegeben haben. Sie werden immer Opfer
der Mächtigen und Herrschenden sein, und sie machen andere (ihre Kinder und die
anderen Mitglieder der Gesellschaft) ebenfalls zu Opfern, weil sie den
Herrschenden Macht geben und den Mündigen Macht nehmen.
Wenn unsere Karte richtig und auch genau ist, werden
wir stets wissen, wo wir uns gerade befinden. Und wenn wir unser Endziel kennen
und die jeweiligen Etappen-Ziele auf dem Weg dorthin bestimmt haben, werden wir
auch wissen, wie wir dorthin gelangen, und werden uns nicht verlaufen. Wenn
unsere Karte jedoch ungenau oder gar falsch ist, werden wir uns verirren.
Nur sehr, sehr wenige bemühen sich bis zum Augenblick
ihres Todes, die Welt unaufhörlich zu erforschen, ihre Sicht und ihr Verständnis
der Welt ständig zu erweitern und zu verfeinern, zu korrigieren und neu zu
definieren. Das aber ist die einzig anständige, seriöse Art zu leben.
Um unsere Karten an die Wirklichkeit anpassen zu
können, brauchen wir natürlich aktuelle Informationen über diese Wirklichkeit.
Diese Informationen müssen wir uns regelmäßig aktiv selber besorgen. Schon dazu
sind die meisten Menschen zu träge, zu faul (das ist ein Kriterium
selbstverschuldeter Unmündigkeit). Hinzu kommt, daß wir wegen dieser neuen
Informationen unsere Landkarte, also unsere liebgewonnene (falsche)
Weltanschauung, unsere eigene (irrige) Meinung dann eben ändern müssen. Auch
dazu sind die meisten Menschen zu faul – und, vor allem, zu feige (das ist ein
weiteres Kriterium selbstverschuldeter Unmündigkeit). Die meisten Menschen
fürchten sich nämlich vor dem Neuen, Unbekannten und meiden daher die Realität.
Deswegen leben die meisten Menschen in einem blockhaft
selbstgezimmerten, künstlichen Konstrukt eines holzschnittartigen Weltbildes,
das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.
Wenn solche Menschen nun mit
Informationen und Kritik konfrontiert werden, die sie – bewußt oder unterbewußt
– ahnen oder spüren lassen, daß sie in einer Art „Wolkenkuckucksheim“ leben,
daß ihre Landkarte, ihre Weltsicht falsch ist und nichts mit der Realität zu
tun hat, überfällt sie Angst und sogar Panik. Solche Menschen klammern sich
dann krampfhaft an ihr falsches Weltbild, weil sie es so empfinden, als ob
ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen würde. Zudem fürchten sie sich auch
vor der Realität, zumal wenn sie unerfreulich ist (gerade deshalb waren sie ja
in ihr selbsterrichtetes, illusionäres „Luftschloß“ geflüchtet). Sie blocken
total, wehren Kritik heftig ab und ignorieren hartnäckig die neuen
Informationen.
Oft ziehen sie daher sogar aktiv gegen die neuen
Informationen und gegen die Informanten zu Felde. Sie verleugnen die neue
Information als „falsch“, „lächerlich“ oder „gefährlich“ und diffamieren den
Informanten als „Ketzer“, „Spinner“ oder „Verschwörungs-Theoretiker“. Das kann
sogar soweit gehen, den Informanten aktiv zu denunzieren und zu
kriminalisieren, zu verfolgen und zu bekämpfen, ja zu vernichten.
Das ist der natürlich vergebliche, weil untaugliche
Versuch, die Realität so zu manipulieren, daß sie mit ihrer falschen Landkarte
(vermeintlich) „übereinstimmt“. Im Extremfall versuchen solche kranken
Menschen, die Realität zu „zerstören“, um bloß nicht ihre Karte ändern zu
müssen. Das ist natürlich unmöglich und deshalb unsinnig, denn »Wirklichkeit«
kann nicht zerstört werden.
Solche Menschen vergeuden mehr Energie zur
Verteidigung ihrer falschen Weltanschauung, als sie für die Revidierung und
Korrektur ihres falschen Weltbildes benötigen würden.
Wille, Urteilskraft und Tatkraft werden geschult und
geübt. Wille und Urteilskraft sind notwendige Voraussetzungen für richtige und
kluge Entscheidungen, Tatkraft für deren Umsetzung in die Praxis, in die Tat. Der
undisziplinierte, willensschwache Mensch ist Sklave, Knecht und Gefangener
seiner Triebe, Stimmungen und Emotionen, während der disziplinierte Mensch
freier Herr seiner selbst ist.
»Disziplin« umfaßt nach Dr. Scott M. Peck vier Techniken, den Schmerz von Problemen
konstruktiv zu überwinden: die Bereitschaft und die Fähigkeit des Aufschiebens
von Belohnungen, das Akzeptieren und die Übernahme von Verantwortung für sich
selber, die totale und unbedingte Hingabe an die Wahrheit und an die
Wirklichkeit. Das ist nicht viel und auch nicht kompliziert. Das Problem liegt
nicht in den Techniken, sondern in dem Willen, sie anzuwenden. Denn es sind
Techniken, mit denen man sich dem Schmerz stellt, anstatt ihm auszuweichen;
wenn man jedoch echtes Leid vermeiden will, dann wird man auch den Gebrauch
dieser Techniken vermeiden.
Der Wille, die Kraft, sie trotzdem einzusetzen, ist
die Liebe – um genau zu sein: die Selbstliebe. Deshalb ist »Disziplin« immer
»Selbst-Disziplin«.
Die heute grassierende Unmündigkeit der meisten
modernen Menschen ist trotzdem selbstverschuldet. Denn selbstverschuldete
Unmündigkeit ist Flucht vor der Realität und die Weigerung, sich der Realität
zu stellen – aus Faulheit, Feigheit und Schwäche. Die entspringen zwar immer
mangelnder Selbst-Disziplin, also wiederum mangelnder Selbst-Liebe und
mangelndem Selbstwertgefühl aber Selbst-Disziplin ist dennoch für jeden in
gewissem Maße trainierbar (so wie z. B. Muskeln).
Das vielleicht beste Maß für die Größe eines Menschen ist
seine Bereitschaft und seine Fähigkeit, zu leiden.
Liebe(n) und Disziplin gehen Hand in Hand. Lieblose
Menschen sind disziplinlose Menschen. Denn »Liebe(n)« ist nicht zu verwechseln
mit »Verlieben«:
»Liebe(n)« ist vom Willen bestimmt.
Echte Liebe ist eine wohlbedachte, freiwillig getroffene Entscheidung, die uns verpflichtet.
Liebe(n) ist also eine Form oder ein Ausdruck von Mut, sich mit einer bewußten
Entscheidung zu einer tätigen Anstrengung zu verpflichten. Wenn eine Handlung
nicht mit Mut und Arbeit verbunden ist, ist sie kein Akt der Liebe / des
Liebens.
Da Liebe(n) also »Arbeit« ist, ist Nicht-Liebe(n) »Faulheit«.
Das einzige wahre Ziel der Liebe / des Liebens ist
spirituelles Wachstum.
Wer das versteht, akzeptiert und praktiziert, ist
mündig und damit erst wirklich »Mensch«.
An sich ein guter Artikel, dennoch zwei Kritikpunkte. Erstens, der inflationäre Gebrauch des abstrakten Begriffs "Liebe" und zweitens die Vertauschung von Realität und Wirklichkeit. Das was wir sehen, das was greifbar ist, ist die Realität, aber nicht automatisch auch die Wirklichkeit. Ein Beispiel: Politiker auf der ganzen Welt entscheiden über die Geschicke ihrer Länder. Das ist offensichtlich Realität, denn die Medien zeichnen dieses Bild und die Politiker agieren rund um die Uhr wie man es von ihnen erwartet. Sie halten Reden, beschließen allerlei und setzen dies dann evtl. um. Ziehen nun aber z.B. andere Mächte im Hintergrund die Fäden, so wäre dies die Wirklichkeit. Besonders gelungen ist allerdings folgende Passage: "Nur sehr, sehr wenige bemühen sich bis zum Augenblick ihres Todes, die Welt unaufhörlich zu erforschen, ihre Sicht und ihr Verständnis der Welt ständig zu erweitern und zu verfeinern, zu korrigieren und neu zu definieren." Die perfekte Beschreibung der freien Geister, der freien Denker. Merke: Freiheit beginnt im Kopf. ;-)
AntwortenLöschenLieber Admin,
AntwortenLöschenich danke Ihnen von Herzen für diesen großartigen Text! Das Verstehen seines Inhaltes ist die Voraussetzung, dass Menschen erkennen können, worin der Wert des Strebens nach Wahrheit besteht. Erst im Prozess des Erkennens von Wirklichkeit (erfordert viel Mut)- auch Selbsterkenntnis - und einem daraus folgenden notwendigen Handeln, verbunden mit Selbstdisziplin und Liebe, kann ein Mensch Freiheit, Würde und echte Menschlichkeit erlangen und zugleich die Stufe menschlicher Entwicklung um derentwillen er hier auf der Erde ist - mit anderen Worten: nur so kann er seine 'Lebensprobe' (so nennt es Jakob Lorber) auf diesem Planeten bestehen.
Ich freue mich darüber, dass Sie Dr. Scott Peck in ihrem Artikel erwähnen, denn er hat großartiges Wissen vom Menschen und was er über Liebe geschrieben hat, gehört zum Besten und Eindrucksvollsten, was zwischen zwei Buchdeckeln zu finden ist ("Der wunderbare Weg")!!!
Auch Dr. Peck hat durch großes persönliches Leid gehen müssen, bevor er all diese Erkenntnisse gewann, mit denen er Menschen so wirksam helfen kann.
Hier noch ein passendes Zitat von Herbert Fritsche:
„Leidvermeiderei, wie und wo sie sich auch immer offenbare,
zeigt stets an, dass der, der sie betreibt,
ein grundsätzlich Uneingeweihter ist.“
Lieben Gruß
B.